Kunst

1955 In der Malerei verhält sich die Idee zu ihrer Verwirklichung wie eine Kaulquappe zum Frosch: alles wird ganz anders.
1961 Malerei ist für mich eine Form des Mitleidens und Mitfreuens. 
1962 Eindeutigkeit läuft dem Wesen der Kunst deswegen zuwider, weil sie unwahr ist.
1966 Design: die Morphologie des Zwecks - Kunst: die Morphologie des Sinns.
1968 Der Mann auf der Straße, für den ich male und entwerfe, bin ich und kein anderer. Und weil ich aus demselben Stoff bin wie meine Mitmenschen, male ich unbeabsichtigt auch für andere "Männer auf der Straße".
Blau: das Paradigma der Stofflosigkeit.
1972 Wenn Bilder tatsächlich nichts weiter auszurichten hätten, als zu informieren, dann müssten Schriftbilder eigentlich das Nonplusultra der bildenden Kunst sein: Das sind sie aber nicht.
1973 Maler, die nur ab und zu einmal zum Pinsel greifen, sind Manchmaler.
Die immer häufiger zu hörenden Fragen nach der Existenzberechtigung von Kunst sind für mich - ich kann sie nicht anders verstehen - die in Fragen verwandelten Zweifel an der Daseinsberechtigung des Menschen schlechthin.
 1976 Ein Kunstwerk ist nicht die Totenmaske seiner Idee.
1977 Kunst, die ganz zu verstehen ist, ist auch ganz zu vergessen.
1979 Experimente in der Kunst: die Suche nach neuen Fallen für die Wahrheit.
Kunst entsteht aus der beharrlichen Erneuerung von Krisen.
1980 Die Entproblematisierung von Kunst muss nicht zu ihrer Belanglosigkeit führen.
Klassische Stile oder Konzepte basieren auf der Idealisierung existentieller Gereimtheiten und manieristische Stile auf der Überschätzung und Verherrlichung existentieller Ungereimtheiten.
1981 Domestizierte Kunst bedankt sich bei ihren Dompteuren mit Zuckerzeug.
Kunst ist die Heimat der Nuance.
Was die Kunst grundsätzlich von der Wissenschaft unterscheidet, ist, dass es in ihr keinen Fortschritt, sondern nur Wandel gibt.
1982 Vollkommenheit und Sterilität treten in der Kunst nicht selten als siamesische Zwillinge auf.
Die historische Entwicklung der bildenden Künste weist sich zunehmend als Reaktion auf Denkweisen und nicht mehr, wie eigentlich naheliegend, auf Sehweisen aus.
1983 Malen heißt: mit den Augen denken und mit den Gedanken sehen.
1984 Wir leiden in der gegenwärtigen Praxis weniger unter der Angewohnheit, an Traditionen festzuhalten, als mit ihnen zu brechen.
1985 Wer mit der Andeutung auf Kriegsfuss steht, wird mit Kunst nie etwas anfangen können.
1987 Die Täuschung im Bereich Kunst heißt Kitsch und im Bereich Wirklichkeit Illusion.
1989 Das geschriebene Wort ist eben nicht mehr nur Wort, es ist bereits Bild.
Ausgefallene Materialien garantieren noch keine Kunst und ausgefallene Ideen noch keinen Sinn. Der Gag als Material oder Idee bleibt Genussmittel geistloser Gesellschaften, d.h. Unterhaltung gegen den Menschen.
Große Inhalte überleben nur in einer großen Form.
Man muss nichts über Kunst wissen, um sie machen zu können, sondern man muss Kunst machen, wenn man etwas über sie wissen will.
Gegenseitige Durchdringung von Form und Inhalt bedeutet, dass sich die Form voll Inhalt und die Inhalte voll Form saugen.
1990 In der Kunst zählen nicht Richtigkeiten, sondern ausschließlich Aufrichtigkeiten.
Mir gefällt der Satz Hegels: "Die Sprache ist gleichsam der Leib des Denkens." Könnte Malerei in diesem Sinne nicht der Leib des Sehens sein?
Bonhoeffer sagt: "Das Leben ist Gottes Ziel mit uns." - Vielleicht ist die Kunst ein bescheidenes Lebensmittel auf diesem Weg.
Blau ist das Feuer, an dem sich unser Geist wärmt.
 1993 "Seid Sand und nicht Öl im Getriebe der Welt", so Günter Eich. - Die heutige Glasmalerei muss acht geben, dass sie nicht zum Parfüm im Getriebe unserer Welt verkommt.
Formalismus - das ästhetische Korrelat der Sinnlosigkeit.
1994 Kunst, eine Theologie des Auges. Unklar bleibt leider allzuoft, welcher Gott da ins Auge gefasst wird.
1995 Kunst, die nicht an die Nieren geht, hofiert grundsätzlich den Gaumen. Die Glasmalerei der 80er und 90er Jahre kennzeichnet eine Art Polterabendstimmung. Lärm per Farbe und Form. Damit werden aber leider nur die guten Geister vertrieben, die bösen fühlen sich in ihrem Element.
In der Kunst verbraucht sich nichts schneller als Unmißverständlichkeiten. Es sind schon immer die Deutlichkeiten gewesen, die Bedeutungen verhindert haben.
1996 Silence in art is language.
Ein bisschen Kunst für ein bisschen Kirche: In den siebziger Jahren noch Albtraum, inzwischen Wirklichkeit.
1998 Da sich heutzutage kaum noch jemand etwas sagen lässt, muss natürlich auch die Kunst nichtssagend sein.
Aus Ordnungen resultiert die Ethik der bildenden Kunst, nicht aus literarischen Sujets.
1999 Der unterschwellige Innovationszwang im Bereich Kunst führt bei fehlendem Tiefgang unweigerlich zum Gag.
Bilder wollen eingesehen und nicht eingedacht werden.
2000 Zu Kunst kann es kommen, wo das Material, mit dem gestaltet wird, nicht mehr bemerkt werden will.
Schlimm genug ist schon, dass wir uns in den Künsten weitgehend dem Gag verschrieben haben. Dass ihn die meisten Autoren auch noch als Sinn verkaufen, macht die Kunstlandschaft schlechterdings kriminell. Die Spielhölle lässt grüßen.
2001 Kunst, die sich beim Rezipienten nicht auch als eine Art Erwartungsenttäuschung bemerkbar macht, ist keine.
Auf der Suche nach Linien, die mir gegen den Strich gehen.
Der Schritt von der beherrschten zur verantworteten Ästhetik ist der von der angewandten zur freien Kunst.
2002 Meine Bilder möchten die seit Menschengedenken anstehende Kurskorrektur leise provozieren.
Inspirierte Form erweist sich in der Kunst entweder als Sinn- oder Unsinn-Träger. Wir haben es ja leider nicht nur mit einer Geistquelle zu tun.
Kunstwerke beziehen ihre Nachhaltigkeit aus der Form und nicht aus dem Sujet.
2003 Einfachheit ist angewandte Demut, sichtbar gemacht.
2004 Meine Bilder sind im Grunde genommen so etwas wie Entschleuniger unserer Seele, unseres hastigen Denkens, unserer sich überstürzenden Sehnsüchte und unserer visuellen Raserei.
2005 Kunst ist Utopie, aber verortet in der Wahrheit.
Stil ist für den Künstler bisweilen notwendiges Gefängnis, in dem sich's erst seine Epigonen rundum gemütlich machen.
2006 Stil ist freiwilliger Wiederholungszwang.
Postmoderne: Der kulturelle Gemischtwaren-Laden, dessen Angebote das Verfalldatum längst überschritten haben.
2007 Mit der Kunst züchtet man Bedürfnisse, die es ohne sie überhaupt nicht gäbe.
Im Falle wirklicher Kunst geht es nie um eine Art optischer Droge, mit der wir uns zeitweise über die Runden helfen. Nein, gute Kunst vorenthält uns geradezu diese Droge.
Wenn Bilder transzendieren, überschreiten sie jedes Mal ihre rein ästhetische Zuständigkeit.
Wenn Kunst wirklich ein Wert ist, dann erwarte ich von ihr, dass sie uns über das Spielfeld reiner Ästhetik hinausträgt.
In der Postmoderne hat natürlich auch der immergrüne Kitsch sein Schaufenster erhalten.
Selbst ein bis zur Chiffre reduziertes Bild scheidet nicht etwa das Sinnliche, sondern nur das dem Sinn Abträgliche aus.