Von Langungon bis Langen
Hügelgräber in der Koberstadt und etliche Grabungsfunde in Feld, Flur und auf Baustellen belegen es: Es lebten bereits während der Stein- und Bronzezeit Menschen im jetzigen Langener Stadt- und Gemarkungsgebiet. Die Historiker gehen davon aus, dass sich dort später zwei wichtige Römerstraßen kreuzten und im fünften Jahrhundert nach Christus die Alemannen ein Dorf begründeten.
Langen im Mittelalter
Die Ortsbezeichnung „Langungon" erscheint erstmals im Jahre 834 in der Schenkungsurkunde von König Ludwig dem Deutschen an das Kloster Lorsch. Zu dessen Besitz gehörte Langen bis ins 13. Jahrhundert.
Der Siedlungsplatz hatte durchaus Bedeutung, trafen sich doch hier zwei überregionale Handelswege: die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Bergstraße zwischen Frankfurt und Heidelberg sowie die Ost-West-Magistrale Aschaffenburg-Mainz.
Außerdem lag Langen zentral in dem von den Karolingern begründeten und beherrschten Wildbannforst Dreieich. Auf dem heutigen Wilhelm-Leuschner-Platz wurde Wildbanngericht gehalten, später tagte von 1338 bis 1556 nahe des 1553 errichteten, noch heute sprudelnden Vierröhrenbrunnens das kaiserliche Maigericht („Maigeding“).
Herrschaft und Lehensherren wechselten im Laufe der Jahrhunderte. Die Falkensteiner bauten 1336 die Stadtbefestigung aus, von der heute noch Mauerreste und zwei Türme (Stumpfer Turm, Spitzer Turm) erhalten sind. 1532 wurde der Ort lutherisch. Sechs Jahre später begann man, eine hölzerne Wasserleitung zu zimmern und zu verlegen. 1550 wurde die Fahrgasse gepflastert. Mit dieser Infrastruktur und mit seinen 123 Häusern avancierte das Bauerndorf zum zentralen Ort im Dreieichgebiet.
1600 wurde Langen an die Landgrafen von Hessen-Darmstadt verkauft, die 1721 hier das Schloss Wolfsgarten errichten ließen. Das wurde zunächst als Jagdschloss, später als Sommerresidenz genutzt.
Marktflecken und Stadtrechte
Unterm Regiment des Hauses Hessen-Darmstadt, das faktisch bis 1918 andauerte, erhielt Langen 1813 die Markt- und 1883 die Stadtrechte.
1818 wurde eine Poststation gebaut, 1826 ein neues Rathaus. Die Stadt erfuhr wirtschaftlichen Aufschwung als Warenumschlagplatz auf dem alten Handelsweg zwischen Frankfurt und Darmstadt. Das örtliche Handwerk und die Gastronomie boomten, die Fuhrunternehmer machten gute Geschäfte.
Das änderte sich, als 1846 die Main-Neckar-Bahn in Betrieb ging. Geleise und Bahnhof lagen ein gutes Stück vor den Toren Langens, was gravierende Folgen für die nun weit vom Schuss lebenden Einheimischen hatte. Der überregionale Durchgangsverkehr, von dem viele bislang recht gut leben konnten, nahm rapide ab. Der Ort entwickelte sich vom historischen Kernquartier nach Westen auf die Bahnstation zu. Hunderte verloren ihre Arbeit und suchten als Pendler auswärts Beschäftigung. Langen machte binnen dreier Jahrzehnte einen Strukturwandel durch – von einer agrarisch geprägten Gemeinde zum Arbeiterwohnsitz.
In den 1870er Jahren wandte sich das Blatt wieder. Im wilhelminischen Kaiserreich gewann Langen an Bedeutung als Wohn- und Gewerbestandort. Der Industrialisierungsschub der Gründerzeit und die gute Anbindung an die Nachbarzentren Frankfurt, Hanau, Mainz und Worms sorgten für wirtschaftlichen Aufschwung. Man stand gut da um die Jahrhundertwende, zählte 5.600 Einwohner, von denen nur noch zehn Prozent in der Landwirtschaft arbeiteten. Es gab Amtsgericht, Post, Eisenbahnstation, Kreiskrankenhaus, Fabriken, Ziegeleien, Sandsteinbrüche und eine Oberförsterei.
Erster Weltkrieg und Franzosenzeit
Im Ersten Weltkrieg fielen 227 Langener Männer. Wenige Wochen nach der Kapitulation, am 23. Dezember 1918, rückten französische Truppen in Langen ein und besetzten die Stadt. Sie war bis 1930 östlichster Grenzort des sogenannten „Mainzer Brückenkopfes“ und wurde verwaltungsmäßig und wirtschaftlich aus dem Hoheitsgebiet des Deutschen Reiches herausgetrennt – was zu einer regen Schmuggeltätigkeit führte. Doch vom Schwarzhandel profitierten nur wenige: Während der Weimarer Republik war das Langener Alltagsleben allgemein von Weltwirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit geprägt.
NS-Terror
Während der NS-Zeit veränderte sich das politische Leben in Langen radikal. Die Nazis im Ort terrorisierten Juden, Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschafter. Es gab Tote, Verhaftungen, Folter. Die Synagoge an der Dieburger Straße (heute ein Mahnmal) wurde am 10. November 1938 in der Reichspogromnacht verwüstet und niedergebrannt. Die Langener jüdischen Familien wurden verjagt, die meisten von ihnen später in Vernichtungslager deportiert und ermordet. Außerdem wurden etliche Frauen und Männer aus osteuropäischen Ländern zur Zwangsarbeit nach Langen verschleppt. Zwei von ihnen haben die Strapazen nicht überlebt.
Wachstum nach dem Krieg
Ende März 1945 befreiten US-Truppen die Stadt Langen. Von März 1946 an kamen Transporte von Vertriebenen aus dem Osten in Langen an. Die Einwohnerzahl, die sich 1939 auf 9.000 belief, stieg durch den Zustrom von Flüchtlingen und Evakuierten aus den zerbombten nahen Großstädten auf 14.000 Personen im Jahr 1951.
Wider Wohnungsnot und Notquartiere wurde 1957 im Nordosten von Langen das größte Landesflüchtlingslager („LaFlüLa“) Hessens hochgezogen, in dessen Wohnblocks bis zum Abriss 2005 zeitweise 1.100 Menschen Quartier fanden. Der Komplex war eigentlich als „Übergangswohnheim“ konzipiert – doch viele der Flüchtlinge und Aussiedler blieben in der Stadt, die dadurch einen Boom im sozialen Wohnungsbau erlebte. Belastbaren Schätzungen zufolge stammt mindestens jeder Fünfte der jetzt rund 37.000 Langener „irgendwie“ vom „Lager“ ab.
Maßgeblich geprägt davon ist Langens mit 7.000 Einwohnern größter, ums „Lager“ herum gewachsener Stadtteil: das Nordend, das nach dem Abriss des „LaFlüLa“ im Jahr 2005 in weiten Teilen neu gestaltet wurde, zum Beispiel mit dem Platz der Deutschen Einheit. Gewachsen ist Langen zu jener Zeit auch im Westen durch den Bau der Wohngebiete Oberlinden (1960 bis 1963) und Neurott.
Wirtschaft und Verkehr
Im daran angrenzenden Wirtschaftszentrum Neurott siedelten sich namhafte Unternehmen der High-Tech-Branche an. Weiteres Aushängeschild ist die Pittler ProRegion Berufsausbildung GmbH, die die Stadt und die Fraport-Stiftung als überbetriebliches Ausbildungszentrum für Metall- und Elektroberufe betreiben.
Das Neurott ist aber auch Standort für Bundesbehörden wie das Paul-Ehrlich-Institut (Bundeinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel), die Außenstelle des Umweltbundesamtes für Wasser-, Boden- und Lufthygiene, die Fachschule des Deutschen Wetterdiensts und die Lotsenschule der Deutschen Flugsicherung (DFS). Nicht zu vergessen: die DFS-Unternehmenszentrale, deren rund 3.000 Beschäftigte von Langen aus den Luftraum über weiten Teilen Deutschlands und angrenzender Länder kontrollieren. Weltweit spricht man von der „Air Traffic City“ (ATC).
Nicht zuletzt wegen der DFS hat Langen auch seinen zweiten Bahnhof, den Haltepunkt „Flugsicherung“, bekommen. Überhaupt ist Langen hervorragend an das Schienennetz angebunden. Seit 1997 fährt nämlich die S-Bahn im 15-Minuten-Takt nach Frankfurt und alle 30 Minuten nach Darmstadt. Außerdem hält der Regionalexpress und bringt die Fahrgäste in nur acht Minuten zum Frankfurter Hauptbahnhof.
Auch ansonsten ist Langen verkehrsgeographisch eine Top-Adresse. Hier schneiden sich die ehemalige Bundesstraßen 3 und die B 486, die Stadt wird zudem von der B 44 im Westen tangiert. Es bestehen direkte Anbindungen im Westen an die Autobahn A 5 und die A 661 im Osten. Als Autobahnzubringer und Spange fungiert die Nordumgehung (B 486 neu). Die Wege sind kurz nach Frankfurt, Offenbach und Darmstadt (jeweils 15 Kilometer entfernt), zum Rhein-Main-Flughafen (zehn Kilometer) und zum Flugplatz Egelsbach (drei Kilometer), dem größten Airport der Allgemeinen Luftfahrt in Deutschland.
Infrastruktur
Parallel entstand in den 1960er bis 1980er Jahren auch Erkleckliches an Infrastruktur, was den Standort Langen deutlich aufwertet und profiliert: das neue Kreiskrankenhaus (heute: Asklepios Klinik), das Freizeitzentrum Langener Waldsee mit dem größten Strandbad im Rhein-Main-Gebiet und das Behördenzentrum an der Südlichen Ringstraße mit Amtsgericht, Finanzamt und Rathaus. In der kommunalen Verwaltungszentrale ist auch die Polizeistation für Langen, Egelsbach und Teilen von Dreieich untergebracht, außerdem die Kfz-Zulassungsstelle für den Westkreis Offenbach und die für Langen, Dreieich und Egelsbach zuständige Filiale der Arbeitsagentur Frankfurt.
Auf der anderen Straßenseite der Südlichen Ringstraße finden sich unter einem Dach in einem Komplex die Neue Stadthalle, die Stadtbücherei und das Hallenbad mit 50-Meter-Bahn. Im Alten Rathaus am Wilhelm-Leuschner-Platz hat’s das 1983 eröffnete Museum zur Stadtgeschichte.
Lebensqualität
Langen hat in den vergangenen Jahren an Lebensqualität gewonnen, zum Beispiel durch:
- die Neue Stadthalle; der Gebäudekomplex präsentiert sich als Veranstaltungsort für Theater, Konzerte, Tanz- und Kleinkunstveranstaltungen ebenso wie für Tagungen, Kongresse und Familienfeiern. Glaskunst-Schau, Stadtbücherei, Restaurant und das benachbarte Hallenbad tragen obendrein zur Attraktivität bei.
- Das Kulturhaus Altes Amtsgericht mit Musikschule und Volkshochschule.
- Die zwölf städtischen Kinderbetreuungseinrichtungen.
- Das Schulkinderbetreuungshaus (Schuki-Haus) an der Wallschule und das Schüler- und Familienzentrum an der Sonnenblumenschule.
- Die Jugend- und Kinderfarm (Juki-Farm) im Nordend und das Jugendzentrum an der Nördlichen Ringstraße.
- Das Begegnungszentrum Haltestelle für die Generation 50 plus.
- Das erste, 2006 eröffnete offizielle Mehrgenerationenhaus in Hessen: das Zentrum für Jung und Alt (ZenJA). In dem Gebäude in der Stadtmitte sind Mütterzentrum, Elternservice und Seniorenhilfe unter einem Dach vereint.
- Etliche Sportstätten und das, was Langen zur Drei-Bäder-Stadt macht: Hallenbad mit 50-Meter-Bahn, das Freizeit- und Familienbad mit Rutschen, Sprungturm, Wasserdüsen und –pilzen und großer Liegewiese, das Strandbad Langener Waldsee mit einem der größten FKK-Areale in Hessen.
Siebenschläfer
Obwohl Langen mitten im dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiet liegt, fehlt es nicht an intakter Natur. Die Umgebung der Stadt ist geprägt von Wald und Feld und nicht zuletzt von den 90 Hektar Streuobstwiesen mit ihren knorrigen Bäumen. Von deren Apfelernte wird Apfelwein produziert. Die kommunale Vermarktung unter der Eigenmarke „Siebenschläfer“ trägt zur Pflege und zum Erhalt der Wiesen bei. In der Natur ist der Siebenschläfer ein possierliches Nagetier, das auf den Streuobstwiesen lebt.